VCÖ-Factsheet: Parkraumbewirtschaftung für Mobilitätswende nutzen

Anfang der 1990er-Jahre wurden in Wien flächendeckende Gebühren für das Abstellen von Pkw im öffentlichen Raum eingeführt. Ab dem Jahr 2022 wird die Parkraumbewirtschaftung auf alle Wiener Bezirke ausgeweitet. Internationale Beispiele zeigen, dass weiteres Potenzial besteht.

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Ein wachsender Anteil der Bevölkerung Wiens besitzt kein Auto. Im Jahr 2010 waren es 41 Prozent der Haushalte, im Jahr 2020 war mit 47 Prozent bereits fast jeder zweite Haushalt autofrei.1,2 Auch der Anteil der mit dem Auto im Alltag zurückgelegten Wege nimmt ab, von 32 Prozent im Jahr 2010 auf 27 Prozent im Jahr 2020.3 Dennoch beansprucht der Kfz-Verkehr sehr viel öffentliche Fläche. Allein die rund 719.000 Pkw mit Wiener Kennzeichen benötigen eine Abstellfläche von rund neun Quadratkilometern, also etwa die Fläche der Bezirke fünf bis neun.4,5 Dazu kommen rund 350.000 Pkw aus dem Umland, die an Werktagen nach Wien pendeln.6

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Knappes Gut öffentliche Fläche sinnvoll nutzen

Wien wächst entsprechend dem globalen Urbanisierungstrend. Im Jahr 2030 ist laut Bevölkerungsprognose mit mehr als 120.000 Personen mehr zu rechnen als im Jahr 2020.7 Mit dem aktuellen Motorisierungsgrad von 374 Pkw je 1.000 Personen entspräche dies weiteren 45.000 Pkw.8 Der Druck auf das knappe Gut öffentliche Fläche nimmt damit auch zukünftig weiter zu. Für hohe urbane Lebensqualität bedarf es effektiver Maßnahmen, um flächeneffiziente Verkehrsmittel zu unterstützen und den öffentlichen Raum mit Fokus auf hohe Aufenthaltsqualität vor Ort zu nutzen.

Parkraumbewirtschaftung schafft Platz

Parkraumbewirtschaftung vermeidet Suchverkehr, unterstützt den Umstieg auf andere Verkehrsmittel und generiert Einnahmen, die in die Mobilitätswende investiert werden können. Parkraumbewirtschaftung bietet auch die Chance, Pkw-Abstellplätze an der Oberfläche zu reduzieren und die Fläche für Klimawandel-Anpassung, etwa Begrünung, Wasser und Beschattung oder Infrastruktur für aktive Mobilität sowie City-Logistik, etwa Ladezonen, umzunutzen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass zuvor auf Privatflächen abgestellte Pkw durch ein erhöhtes Platzangebot wieder in den öffentlichen Raum verlagert werden.

Das Auto verliert in Wien für die Alltagsmobilität sukzessive an Relevanz. Der Anteil der autofreien Haushalte steigt, der Pkw-Anteil an den zurückgelegten Wegen geht zurück.

Wiener Parkraumbewirtschaftung zeigt Wirkung

Die erste flächendeckende gebührenpflichtige Kurzparkzone wurde, gemeinsam mit dem „Parkpickerl“ für die im Bezirk wohnenden Menschen, im Juli 1993 im ersten Wiener Gemeindebezirk eingerichtet.9 Im Jahr 1995 wurde die Parkraumbewirtschaftung auf die Bezirke sechs bis neun ausgedehnt, im Jahr 1997 folgten die Bezirke vier und fünf, im Jahr 1999 die Bezirke zwei, drei und 20. Im Jahr 2005 wurde im 15. Bezirk eine Parkraumbewirtschaftung rund um die Stadthalle eingeführt. Nach längerer Pause folgte im Jahr 2012 die nächste Ausweitung auf die Bezirke zwölf, 14, 16 und 17 sowie den gesamten 15. Bezirk. In den Jahren von 2016 bis 2019 folgten die Bezirke 18, 10, 11 und 19. Im März 2022 folgen die Bezirke 13, 21, 22 und 23. Im Zuge der kommenden Ausweitung werden Gebühren und Parkdauer vereinheitlicht. Eine Befragung im Juli 2021 zeigte, dass eine Mehrheit von 56 Prozent der Bevölkerung Wiens die Ausweitung befürworten, 37 Prozent sind eher oder sehr dagegen.10

Das Parkpickerl zeigt Wirkung. Die Auslastung der Pkw-Abstellplätze im öffentlichen Raum ist nach Umsetzung der Parkraumbewirtschaftung deutlich zurückgegangen.

In Wien gab es bei Einführung und Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung positive Auswirkungen. Im Durchschnitt hat sich bei der letzten Ausweitung in den bewirtschafteten Bezirken die Parkraumauslastung am Vormittag von 94 Prozent auf 66 Prozent verringert.11 Der Suchverkehr ist um 18 Prozent zurückgegangen. Die zurückgelegten Pkw-Kilometer gingen um rund zwölf Prozent zurück. Ein weiterer Effekt war ein starker Rückgang falsch abgestellter Pkw, die ein großes Problem für den Öffentlichen Verkehr sind. Auch zeigte sich ein Ausweichen auf Bezirke ohne Parkraumbewirtschaftung. Im 13. Bezirk ist die Auslastung nach der Erweiterung der Parkraumbewirtschaftung im Jahr 2012 zum Beispiel vormittags von 76 auf 84 Prozent gestiegen. Umgekehrt zeigen die Ergebnisse der Wiener Lebensqualitätsstudien aus den Jahren 2013 und 2018, dass das Problem der Parkplatzsuche durch Parkraumbewirtschaftung deutlich abnimmt – etwa im 18. Bezirk von 48 Prozent auf 13 Prozent und im 10. Bezirk von 50 Prozent auf 22 Prozent, wo jeweils zwischen den Befragungen das Parkpickerl eingeführt wurde.12 Die Einführung der Parkraumbewirtschaftung ist zudem ein Anreiz für das Umsteigen vom Pkw auf den Öffentlichen Verkehr sowie Gehen und Radfahren. Nach Einführung der Parkraumbewirtschaftung in den Bezirken westlich des Gürtels nahm der Pkw-Verkehr nach Wien an der Autobahn-Zählstelle Pressbaum von Jänner bis August 2013 im Vorjahresvergleich um 7,5 Prozent beziehungsweise 1.000 Fahrzeuge pro Tag ab. Die Auslastung der Park-and-Ride-Anlagen in Wien und Niederösterreich ist gestiegen. Die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung hat damit das Verkehrsaufkommen um rund 8.000 Pkw-Fahrten pro Werktag reduziert.

Insgesamt trägt die Parkraumbewirtschaftung gemeinsam mit anderen Maßnahmen dazu bei, dass die Präferenz der Auto-Nutzung am Arbeitsweg abnimmt. Während im Jahr 2003 noch 27 Prozent der aus den Außenbezirken ins Zentrum Pendelnden das Auto nutzten, sank dieser Anteil bis zum Jahr 2018 auf 16 Prozent.12

Öffentlicher Raum ist in Städten ein begrenztes Gut. Die Gebühren für das Abstellen von Pkw sind in Wien im Vergleich zu anderen Nutzungsmöglichkeiten sehr niedrig.

Internationaler Vergleich zeigt mehr Potenzial

Auch in Wien gibt es noch Verbesserungspotenzial bei der Parkraumbewirtschaftung. Während die Pkw-Abstellgebühr in Wien je Stunde 2,2 Euro beträgt, sind es in Paris zwischen 2,4 und 4 Euro, in London 6,8 Euro und im historischen Zentrum Amsterdams 7,5 Euro.13,14,15 Durch eine Anhebung der Gebühren auf Londoner Niveau könnte die Zahl der Pkw-Wege in Wien um 30 Prozent reduziert und der Anteil der aktiven Mobilität sowie des Öffentlichen Verkehrs um jeweils fünf Prozentpunkte erhöht werden.16 Ein Städtevergleich zeigt, dass Wien derzeit viel Straßenraum für abgestellte Pkw, aber wenig für Gehen und Radfahren zur Verfügung stellt. In Rotterdam und Kopenhagen stehen 15 beziehungsweise 16 Prozent der Straßenquerschnitte für Pkw-Abstellplätze im öffentlichen Raum zur Verfügung, in München 21 Prozent, in Wien jedoch 28 Prozent.17 Umgekehrt steht in Rotterdam und Kopenhagen knapp die Hälfte der untersuchten Straßenquerschnitte dem Fuß- und Radverkehr zur Verfügung, in München 36 Prozent, in Wien jedoch nur 30 Prozent.

Amsterdam als Good Practice-Beispiel

Amsterdam regelt die Nutzung der Pkw-Abstellplätze im öffentlichen Raum über die Vergabe wohnortbezogener Berechtigungsausweise für mehr als 30 definierte, verhältnismäßig klein dimensionierte Abstellzonen. Diese werden nur an Personen vergeben, die keinen privaten Pkw-Abstellplatz zur Verfügung haben oder mieten können.18 Dabei werden in Amsterdam je Wohnadresse ein bis maximal zwei Dauerparkgenehmigungen vergeben. Die erste Genehmigung kostet je nach Zentralität der Zone von 16 bis 284 Euro je Halbjahr, eine zweite Genehmigung mehr als doppelt so viel wie die erste. Je Zone gibt es eine definierte Anzahl an verfügbaren Pkw-Abstellplätzen sowie zu vergebenden Abstellgenehmigungen. Sind alle Genehmigungen vergeben, gibt es auf der Webseite der Stadtverwaltung einsehbare Wartelisten mit Wartezeiten von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren.19 Bis zum Jahr 2025 plant Amsterdam 11.200 Genehmigungen durch natürliche Fluktuation einzuziehen. Aufgrund von Abmeldungen, Umzug oder Tod zurückgegebene Ausweise werden nicht neu vergeben. Freigewordene Flächen werden für mehr Grünraum, Rad-Abstellanlagen, Ladezonen, Radwege und breitere Gehwege genutzt. Die konsequente Parkraumbewirtschaftung schlägt sich auch im Mobilitätsverhalten nieder. Der Pkw-Anteil liegt mit 20 Prozent deutlich unter jenem von Wien.

Mehr als zwei Drittel des Straßenraums werden in Wien dem Pkw-Verkehr zur Verfügung gestellt, obwohl der Pkw-Anteil bei lediglich 27 Prozent liegt. In anderen Städten Europas, ist für Gehen und Radfahren deutlich mehr öffentliche Fläche vorgesehen.

Parkraumbewirtschaftung weiter verbessern

Bezirke ohne Parkraumbewirtschaftung sind stark durch Einpendel-Verkehr nach Wien belastet. Eine Erhebung aus dem Jahr 2019 für den Bezirk Liesing zeigt, dass je nach Tageszeit 33 bis 37 Prozent der abgestellten Pkw kein Wiener Kennzeichen haben. Eine Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung auf alle Wiener Gemeindebezirke ist notwendig, um Ausweichverkehr zu reduzieren. Durch eine Staffelung der Gebühren je nach Lage beziehungsweise Zentralität, ließe sich die Wirksamkeit der Parkraumbewirtschaftung weiter erhöhen. Modellrechnungen zeigen ein hohes Potenzial zur Verbesserung der Verkehrs- und Umweltsituation einer stadtweiten, differenzierten Parkraumbewirtschaftung. Je nach Variante könnten die Pkw-Kilometer innerhalb Wiens um bis zu 38 Prozent verringert werden, innerhalb der Ringstraße sogar um bis zu zwei Drittel.20

Binnenverkehr durch kleinere Zonen vermeiden

Um das Potenzial auszuschöpfen, sind auch auf das Wohnumfeld beschränkte Tarifzonen wichtig. Große Tarifzonen erschweren eine zielgenaue, an Marktpreisen orientierte Gebühren-Staffelung, wie etwa in Amsterdam umgesetzt. Zudem verursachen große Tarifzonen Pkw-Binnenverkehr, wie Untersuchungen im Zuge der Einführung der Parkraumbewirtschaftung im 10. und 18. Wiener Gemeindebezirk zeigen, und schmälern damit auch den erreichbaren Verlagerungseffekt. Da der öffentliche Raum ein knappes und wertvolles Gut ist, sollten Pkw wenn möglich vorrangig auf privaten Abstellflächen stehen. In Innsbruck etwa werden Dauerparkberechtigungen nur gegen Nachweis der Hausverwaltung ausgestellt, dass keine private Abstellmöglichkeit im Umkreis der Wohnadresse verfügbar ist.

VCÖ-Empfehlungen

Parkraumbewirtschaftung für die Transformation in Richtung klimaverträgliche Mobilität nutzen

  • Fast die Hälfte der Haushalte in Wien hat kein Auto. Der Städte-Vergleich zeigt, dass abgestellte Pkw in Wien derzeit viel Platz bekommen.
  • Der öffentliche Raum ist ein knappes Gut. Der Trend zur Urbanisierung verstärkt die Flächenkonkurrenz. Die Gebühren für das Abstellen von Privat-Pkw auf öffentlichen Flächen sind in Wien im Vergleich zu anderen Nutzungsmöglichkeiten sowie anderen Städten sehr niedrig.
  • Die Auto-Nutzung ist in Wien rückläufig, was sich auch in einer Reduktion der zur Verfügung gestellten Pkw-Abstellflächen widerspiegeln sollte.
  • Erhebungen belegen, dass Parkraumbewirtschaftung wirkt. Um Garagenflucht zulasten des öffentlichen Raums zu vermeiden, sollten freigewordene Abstellflächen sukzessive umgenutzt werden.
  • Parkpickerl sollten auch in Wien – wie in anderen Städten – nur dann genehmigt werden, wenn keine private Abstellmöglichkeit verfügbar ist.
  • Nach Lage und Zentralität gestaffelte Gebühren könnten, wie etwa in Amsterdam, die Wirksamkeit der Parkraumbewirtschaftung in Wien erhöhen.
  • Verbesserungspotenzial gibt es in Wien auch durch kleinere Berechtigungszonen. Parkpickerl für ganze Bezirke verursachen Binnenverkehr und schmälern den Verlagerungseffekt auf Öffentlichen Verkehr, Gehen und Radfahren.

Michael Schwendinger, VCÖ ‑ Mobilität mit Zukunft

"Die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung in Wien ist ein wichtiger Schritt in Richtung Mobilitätswende, dem weitere folgen müssen. Die Aufenthaltsqualität des öffentlichen Raums gewinnt, wenn mehr kostbare öffentliche Flächen für Begrünung, Schatten, Wasser, Sitzgelegenheiten, Geh- und Radwege umgenutzt werden.“

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