Jugendmobilität aktiv und klimaverträglich gestalten

Mobilitätsverhalten wird erlernt und vom sozialen Umfeld geprägt. Um bereits frühzeitig ein Mobilitätsbewusstsein zu schaffen, sollte das Thema nachhaltige Mobilität im Schulunterricht und in außerschulischen Einrichtungen regelmäßig integriert sein. Wie Kinder und Jugendliche mobil sind, hat auch starken Einfluss auf ihr Mobilitätsverhalten als Erwachsene.

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Die Anforderungen, die Jugendliche an Mobilität stellen, wandeln sich im Laufe ihrer Entwicklung, etwa bedingt durch Schule, Ausbildung, Lehre und Freizeitverhalten. Jugendliche von 15 bis 19 Jahren nutzen werktags zu über 41 Prozent den Öffentlichen Verkehr. Die Fuß- und Radwege nehmen aufgrund der längeren Wege ab. Der Auto-Anteil selbstlenkend ist niedrig, bis etwa ab 17 Jahren das Auto insbesondere am Land eine Rolle spielt.1 In dieser Phase kristallisiert sich die selbständige Mobilität heraus. Umso wichtiger ist es für Jugendliche, dass attraktive und verlässliche Mobilitätsangebote geschaffen werden.

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Klimaschutz in der Mobilität umsetzen

In Österreich sehen 55 Prozent der jungen Menschen zwischen 15 bis 35 Jahre die Klimakrise als das aktuell größte gesellschaftliche Problem an. Europaweit wären in der Gruppe der Jugendlichen von 15 bis 19 Jahren 65 Prozent bereit, ihr Mobilitätsverhalten so zu gestalten, dass sie ausschließlich klimaverträglich unterwegs sind.2 Diese Bereitschaft kann frühzeitig durch Wissensvermittlung in Bildungs- und Jugendeinrichtungen und entsprechende Angeboten des Öffentlichen Verkehrs, weiteren flexiblen Mobilitätsangeboten, Fuß- und Radwege abgeholt werden.

Bei Jugendlichen von 15 bis 19 Jahren sinkt der Fußweganteil werktags im Vergleich zu 26 Prozent bei sechs bis 14- Jährigen auf neun bis zwölf Prozent, was vermutlich mit den längeren Schulwegen und der Zugänglichkeit zu anderen Verkehrsmitteln wie den Öffentlichen Verkehr, Moped und L17-Führerschein zu tun hat. Jugendliche sind über 41 Prozent der Wege mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs. 21 Prozent ihrer Wege legen sie selbst lenkend mit Moped, Motorrad oder Pkw zurück.3

Die Verkehrsmittelwahl für Schul- und Ausbildungswege in Österreich, Bregenz, Graz, der Stadt Salzburg und Wien wird dargestellt. Die Grafik zeigt, dass in den Städten weniger Wege im Auto (inklusive mitfahrend) zurückgelegt werden.
Der Weg zur Schule oder zum Ausbildungsort ist eine gute Gelegenheit, Bewegung in den Alltag zu integrieren. In Bregenz und in der Stadt Salzburg ist der Anteil besonders hoch.

Ansprüche von Jugendlichen an Mobilität

Jugendliche wollen ernst genommen und mit Respekt behandelt werden – auch bei ihrer Verkehrsteilnahme. Unabhängig von den Eltern unterwegs sein zu können, ist für sie sehr wichtig. Jugendliche legen Wert auf einen sauberen öffentlichen Raum und begrüßen es, sich auf die Einhaltung der Verkehrsregeln verlassen zu können. Sie schätzen Orte, an denen sie ausreichend Platz zum Hinsetzen, Plaudern und Ausruhen finden.4 Jugendliche streben aber auch nach Abwechslung und neuen Erlebnissen.

Welche Verkehrsmittel im Jugendalter bevorzugt werden, hängt von einer Reihe von Faktoren ab: Verfügbarkeit des Verkehrsmittels, Erreichbarkeit, Kosten-Nutzen-Abwägung, Sicherheit, Verlässlichkeit des Verkehrsmittels, Wissen und Erfahrung bezüglich Nutzung, Selbstwirksamkeit und Einstellung, sowie die Wertschätzung, die mit dem Verkehrsmittel verbunden ist. Pünktlichkeit ist der wichtigste Aspekt bei der Bewertung des Öffentlichen Verkehrs.5 Im Öffentlichen Verkehr spielen Freundlichkeit des Personals, sowie Sauberkeit und der Wunsch nach kostenlosem WLAN eine wichtige Rolle. Besonders in Städten ist das Thema Sicherheit präsenter als am Land. Unter Kindern in der Stadt sind neben der Sicherheit besonders Umstiege und überfüllte Verkehrsmittel ein Thema.6

Günstige Jahrestickets werden angenommen

Seit der Einführung des Klimatickets im Oktober 2021 wurden bis Oktober 2022 über 200.000 österreichweit gültige Klimatickets verkauft - 63.000 davon waren Jugendtickets. Dass ein günstiges Ticket den Öffentlichen Verkehr für Jugendliche sehr attraktiv macht, zeigen die Jugend-Jahreskarten der Verkehrsverbünde.7 Im Jahr 2021 nutzten beispielsweise rund 250.000 junge Menschen, also etwa 50 bis 60 Prozent der unter 24-Jährigen in der Ostregion, das Top-Jugendticket des Verkehrsverbund Ost-Region.8 Auch viele Lehrlinge nutzen ein Top-Jugend-ticket, doch geht die Nutzung unter Lehrlingen zurück, sobald ein eigenes Auto oder Moped zur Verfügung steht. In einigen ländlichen Regionen gibt es zudem oft zu relevanten Zeiten keine ausreichenden öffentlichen Verkehrsverbindungen. Lehrlinge in Wien finden Carsharing gut und nutzen nach eigenen Angaben auch die Angebote.9

Führerscheinerwerb verschiebt sich

Während im Jahr 2006 rund 20 Prozent aller neu ausgestellten Pkw-Führerscheine auf 17-Jährige fielen, waren es im Jahr 2021 bereits rund 34 Prozent.10 Vor allem für Jugendliche aus ländlichen Regionen überwiegen die Vorteile des Führerscheinerwerbs. Für Jugendliche in der Stadt ist das Thema weniger bedeutsam. Spaß am Autofahren ist kein dominantes Motiv mehr. Während in Wien der Anteil der 17-Jährigen bei den Führerscheinneulingen im Jahr 2021 nur bei elf Prozent lag, waren es im Burgenland mit 55 Prozent mehr als die Hälfte. Der Anteil jener, die nach dem 19. Lebensjahr den Pkw-Führerschein machten stieg von 17 Prozent im Jahr 2006 auf 30 Prozent im Jahr 2021. Generell ist feststellbar, dass der B-Führerschein heute später erworben wird. Betrug das Durchschnittsalter in Österreich im Jahr 2006 noch 18,7 Jahre, lag es im Jahr 2020 bei 19,8 Jahren.10

Mobilitätsmanagement an Ausbildungsorten

Mobilitätsmanagement soll flächendeckend in Bildungseinrichtungen umgesetzt werden. Das Programm klimaaktiv mobil des Klimaschutzministeriums berät Bildungseinrichtungen und stellt Unterrichtsmaterial für alle Altersgruppen bereit. So wurden bis zum Jahr 2022 mehr als 500 Bildungseinrichtungen erreicht.11 Das Thema Mobilität wird dabei auf vielfältige Weise in den Unterricht eingebaut. Beispiele sind die Aktion „Abgasfalle“, bei der die Luftqualität im Umfeld der Schule gemessen wird. Bei der „Flächenverbrauchsaktion“ ist der große Platzverbrauch von Pkw Thema. Eine Evaluierung des klimaaktiv mobil Beratungsprogramm für Kinder- und Jugendliche im Schuljahr 2020/21 zeigt, dass rund 700.000 Pkw-Kilometer in diesem Schuljahr auf andere Mobilitätsformen verlagert wurden. 83 Prozent der befragten Bildungseinrichtungen gaben an, dass spürbare positive Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten der Schülerinnen und Schüler beobachtbar waren. Bei 50 Prozent der Bildungseinrichtungen wurden zusätzlich die Mobilitätsbedingungen vor Ort verbessert und etwa die Fahrpläne der Busse stärker an die Schulzeiten angepasst.11

Die Daten zeigen: Je älter die Jugendlichen sind, desto größer ist der Anteil nachhaltiger Mobilität und desto geringer ist der Anteil des Pkw – lenkend und mitfahrend – bei den zurückgelegten Wegen.
Bei der Entwicklung der Mobilität von Kindern und Jugendlichen in Wien nimmt der Öffentliche Verkehr eine immer wichtigere Rolle ein.

Außerschulische Einrichtungen sind gefragt

Auch außerschulische Jugendeinrichtungen sind wichtig, um Jugendliche aktiv einzubinden und das Bewusstsein für klimaverträgliche Mobilität zu fördern. Gemeinden, Städte und Regionen wie Jugendliche werden im klimaaktiv mobil Beratungsprogramm für Kinder- und Jugendliche bei der Umsetzung von Verkehrsmaßnahmen vor Ort etwa durch Beratung, finanzielle Zuschüsse sowie durch die Stärkung der Kompetenz von Fachkräften durch Fortbildungsangebote unterstützt.12

Digitalisierung als Hebel nutzen

Mobilitäts-Apps, die Angebote innerhalb einer Region vernetzen, sind für Jugendliche einfach nutzbar. Um Informationen weiterzugeben, können Videos, Stories, Memes oder Comics eingesetzt werden. Rund 95 Prozent der Jugendlichen in Österreich nutzen YouTube, 81 Prozent Instagram und 71 Prozent TikTok.13

Mobilitätsmanagement einführen

Das Mobilitätsverhalten der Jugendlichen verändert sich, die selbständige Mobilität wird insbesondere im Alter bis 19 Jahren geprägt. Die Ansprüche der Jugendlichen an Mobilitätsangebote sind vielfältig und reichen von persönlichen Präferenzen wie Sicherheit und Image, bis zur Verfügbarkeit. Angebote für aktive und nachhaltige Mobilität werden von Jugendlichen positiv gesehen und auch genutzt. Sie sind außerdem offener für neue Technologien und neue Angebote wie Carsharing oder Bike-Sharing. Jugendliche aktiv in Gestaltungsprozesse und der Planung von Mobilitätsangeboten einzubinden fördert Bewusstsein für klimaverträgliche Mobilität.

Mobilitätsbewusstsein schaffen

Für die Mobilitätswende hin zu einer klimaverträglichen Mobilität sind Kinder, Jugendliche, Eltern und das Lehrpersonal eine wichtige Zielgruppe. Wissen bereits in schulischen und außerschulischen Einrichtungen weiterzugeben schafft ein Bewusstsein für nachhaltige Mobilität wie den Öffentlichen Verkehr, Radfahren und Gehen. Digitalisierung kann als Chance genutzt werden, Jugendliche als „digital natives“ über digitale Plattformen rasch zu informieren und in Mobilitäts-Apps die jeweils schnellste, einfachste und bei Bedarf kostengünstigste oder auch umweltverträglichste Verbindung zu vermitteln.

VCÖ-Empfehlungen

Zentrale Voraussetzung für ein klimaverträgliches Mobilitätsverhalten von Jugendlichen ist die frühzeitige Wissensvermittlung und Berücksichtigung ihrer vielfältigen Ansprüche.

  • Ansprüche von Jugendlichen an Mobilität in der Planung von Mobilitätsangeboten vom Öffentlichen Verkehr bis zu flexiblen Angeboten wie Rufbussen berücksichtigen.

  • Mobilitätsmanagement und Mobilitätbildungsformate an allen Schul- und Ausbildungsstätten etablieren.

  • Ausbau der Infrastruktur für Radfahren und Gehen, um selbständige Mobilität für Jugendliche zu ermöglichen.

  • Mehr zielgruppengerechte, für junge Menschen leistbare Angebote, wie ermäßigte Zeitkarten im Öffentlichen Verkehr und Sharing-Angebote.
  • Digitalisierung als Chance nutzen, um Jugendliche zu informieren und aktiv einzubinden.

  • Regelmäßige Erhebungen zum Mobilitätsverhalten von Jugendlichen durchführen.

Lina Mosshammer, VCÖ ‑ Mobilität mit Zukunft

„Junge Menschen sehen den Bedarf für eine Veränderung und den Umstieg auf nachhaltige Mobilität. Dieses Potenzial zu nutzen ist wichtig, damit wir der Klimakrise entgegen wirken.“

VCÖ-Factsheet "Jugendmobilität aktiv und klimaverträglich gestalten" als PDF


Die inhaltliche und redaktionelle Erstellung des VCÖ-Factsheets erfolgt durch den VCÖ. Der Inhalt muss nicht mit der Meinung der unterstützenden Institutionen übereinstimmen.  Dieses Factsheet entstand mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

Im Jahr 2022 stehen im Rahmen von klimaaktiv mobil Förderungen für Aktive Mobilität und nachhaltiges Mobilitätsmanagement in der Höhe von 60 Millionen Euro zur Verfügung. Durch das klimaaktiv mobil Programm für den Tourismus- und Freizeitbereich werden Maßnahmen für einen klimafreundlichen Tourismus und ein nachhaltiges Freizeitangebot gefördert.

Mehr Informationen unter: klimaaktivmobil.at/tourismus


Quellen

Quellen

1 Herry Consult: Österreich unterwegs 2013/2014. Ergebnisbericht zur österreichweiten Mobilitätserhebung "Österreich unterwegs 2013/2014". Wien: BMVIT, 2016  
2 IPSOS: Europaweite Befragung: Wie Europas Jugend die Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Migration wahrnimmt. Länderbericht Österreich, Studie im Rahmen des Projekts #ClimateOfChange, in Österreich umgesetzt von Südwind und europaweit von WeWorld, 2021  
3 Herry Consult: Österreich unterwegs 2013/2014. Ergebnisbericht zur österreichweiten Mobilitätserhebung "Österreich unterwegs 2013/2014". Wien: BMVIT, 2016  
4 Füssl E., u.a.: Teenagers: Quality of Life, Traffic and Mobility. FWF Einzelprojekt P 23194, 2014 und Ausserer K., u.a.: Gehen aus der Perspektive von Jung und Alt. Wien: Studie im Auftrag der MA 18 Stadtentwicklung und –Planung, 2014  
5 Reyer M., Schlicht W.: Determinanten des Mobilitätsverhaltens, Institut für Sport und Bewegungswissenschaft. Stuttgart: Future City Lab Universität Stuttgart, 2016. - Stand: 20.10.2022 und Calmbach M., u.a.: Wie ticken Jugendliche 2016? Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland. Wiesbaden: Springer Verlag, 2017 Weblink
6 Riess J., u.a.: CATAPULT - PoliCies for inclusive, demand-oriented and target group-specific automated mobility solutions for cities. Deliverable 2.2, 2021  
7 Gewessler, L.: Parlamentarische Anfragebeantwortung Nr. 11178/J. Wien: Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), 2022. - Stand: 20.10.2022 Weblink
8 VOR Der Verkehrsverbund: Schuljahr 2021/22: VOR Top-Jugendticket eröffnet umfassende Mobilität. Wien: 2021. - Stand: 20.10.2022 Weblink
9 Posch, P.: Die Mobilität von Jugendlichen in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. A&W blog, 2017. - Stand: 20.10.2022 Weblink
10 Statistik Austria: Führerscheine und Lenkberechtigungen. Jahresergebnisse 2021. Wien: Bundesanstalt Statistik Österreich, 2022. - Stand: 20.10.2022 Weblink
11 Martin L., u.a.: Mobilitätsmanagement für Kinder und Jugendliche. Aktionsideen für und von Bildungseinrichtungen. Wien: Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), 2022 - Stand: 20.10.2022 Weblink
12 Schuebl J.: Auskunft klimmaktiv mobil. 2022  
13 Saferinternet.at: Jugend-Internet-Monitor. 2022. - Stand: 20.10.2022 Weblink

 

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